Der bestriechende Untergang, oder: wie leicht man von Katari zusammengeschlagen wird

An einem der letzten Wochenenden vor meiner Flucht ging es nochmal durch den Souq Waquif, den ich ja nie wirklich mochte: zu viel Schrott und Tierquälerei im Angebot. OK, manche der Restaurants stellten sich als besuchenswert raus. Dabei stieß ich auch auf diese in mehrfacher Hinsicht atemberaubende Produktpiraterie:

Heart will go on

Sagenhaft, nicht nur die Schreibweise, sondern im Kleingedruckten auch die Erschaffung einer neuen Produktkategorie: das „Amplified Eau de Cologne“. Ich hab nicht dran gerochen, aber was wohl ein verstärktes Kölnischwasser ist? Ein Bonner Wasser? Oder ein Kölnkalkischwasser? Auf alle Fälle leo und Kate als Blumenkinder, ganz stark.

Bevor es ernst wird, noch eine sehr gelungene Karikatur zur Tatsache, daß in Saudi-Arabien keine Frauen Auto fahren dürfen und Filme für’s Fernsehen gekürzt und bei Bedarf gepixelt werden:

Thelma Louise Saudi Style

Vom absurden Pixeln noch ein wahres Beispiel: weil Schweine im Islam ja gar nicht gehen, wurde sogar bei dem Kinderbuch „Winnie Puh“ jedesmal Ferkel auf den Bildern geschwärzt. Von Hand in jeder Ausgabe. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom Feinsten.

Eines der Erlebnisse, über sdas ich erst nach der Ausreise schreiben wollte, begab sich am Herbstanfang. es wird gleich sehr grob, deswegen verrate ich gleich besser, daß es glimpflich ausging.

Ich war mit Freunden in der Wüste unterwegs gewesen und stellte mich danach in einer der Reihen vor dem Reifenaufblasdienst an. Gerade als ich drankommen sollte, bretterte um alle außenherum ein weißer Toyota Landcruiser herum und pfetzte sich in meine Lücke. Ich war sauer. Schaute ins Auto und sah drei Männer in normalen Sportklamotten, hätten irgendwelche Araber sein können. Meine Schlußfolgerung, daß es keine Katari waren, stellte sich leiter später als sehr falsch raus. Ich stieg aus, stellte mich vor das Auto und machte ihnen Zeichen zum Zurückstoßen und machte es auf Englisch sehr klar, daß ich an der Reihe gewesen war. Keine Reaktion, nur wütendes Gebrülle im Auto. Dann glaubte ich zu spüren, daß er auf mich langsam zurollte, und legte zum Schutz meine Hand auf die Motorhaube. FEHLER!!! Der Fahrer sprang raus und machte folgende drei Ansagen:

– du hast mein Auto beschädigt

– ich bin Katari. erkennst du mich? Nein? Du wirst mich kennenlernen

– ich rufe sofort die Polizei an

Also war der größtmögliche Unfall eingetreten: Ärger mit einem Local, nur weil ich nicht clever genug gewesen war alles zu ertragen. Er ruft also bei der Polizei an, ich gehe zu meinem Auto und hole mein Handy, da er in der Zwischenzeit von meinem Auto eine Aufnahme gemacht hatte. Ich nehme also meines und mache eine Aufnahme seines Nummernschuilds und MAXIMALER FEHLER von ihm selbst. Selten, wahrscheinlich nie einen Menschen so schlagartig ausrasten sehen. Reist mir mein Handy weg, brüllt rum, das das illegal sei etc etc. Ich drehe mich um, gehe in Richtung Auto, um mich mit den Freunden zu besprechen. Da stürmen er und seine zwei Kumpels auf mich zu und prügeln und treten mich, bis ich mit zerrissenem T Shirt auf dem Boden lag und die Umstehenden die drei bremsten. Das ging so schnell, es war unglaublich. Blutend am Ellenbogen und am Schienbein sah ich schon ziemlich demoliert aus.

Dann rief einer der Freunde bei der Polizei an und meldete sich, es sei dringend, Streit drohe zu eskalieren. Sein gesicht gefror, als die erste Frage der Polizei nur war: „Welche Nationalität?“ „Spielt das eine Rolle????“ „…langes Schweigen bei der Polizei..“ „Also gut, Katari und deutsch“ „OK, dann kommen wir. Alles klar? Wäre ich vom Inder abwärts auf der Hackordnung (sic!) eingestuft, wäre es ihnen sowieso egal gewesen. Bonjour rassisme!

Während des Wartens füllte ich nicht nur die Reifen auf, sondern ein Freund versuchte, im direkt danebenliegenden Minimarkt Zeugen ausfindig zu machen. Pure Angst auf den Gesichtern, Wegschauen, keiner hatte etwas bemerkt. Man kann’s ihnen nicht verdenken… Auch der Versuch, die Herausgabe meines Handys gegen Löschung des Bildes blieb folgenlos. Und so stellte ich mich auf das Übelste ein. Doch aus einem Grund, den wir erst viel später kapierten, begann der Schläger auf einmal zu wimmern, ich hätte ihm seine Hand verletzt, er würde bluten (tatsächlich, da war ein mikroskopischer Kratzer, vielleicht von seiner dicken Uhr ausgelöst?). Aus irgendeinem Grund fing er an, an einer gütlichen Regelung interessiert sein. Also keiner erhebt gegen den anderen Anklage. Nach einer Stunde Warten war dann auch klar, daß die Polizei nicht kommen würde, also fuhren wir im Konvoi zur Wache. Am Freitag nicht gerade voll besetzt, also hieß es erst einmal warten, bis ein des Englischen Mächtiger Offizier kommen würde. Ich ging am empfang zwei Schritte weiter in die Polizeistation rein, und zu meiner Linken sah ich die Zellen liegen, dicke Gitterstäbe, dicke Vorhängeschlösser, im Comic würde über meinem Kopf das Wort „gulp“ stehen.

Vor die Alternative gestellt, entweder Stunden zu warten oder aber auf alle Anklagen zu verzichten, ging dann alles rasch. Das Unglaublichste war am Ende, daß dieser Kerl tatsächlich sich von mir mit Umarmung verabschieden wollte, so wenn wir beste Buddies gewesen wären. Denn mittlerweile hatten wir verstanden, warum er so erleichtert war, daß nichts dokumentiert worden war: der Herr ist Pilot bei der katarischen Luftwaffe. Und bei diesen katastrophalen Selbstbeherrschungswerten ist er da sicher nicht fliegend tragbar, er konnte bestimmt einen solchen Vorfall nicht brauchen. Ich war einfach nur froh, daß alles glimpflich ausging und ich in dieser Schlacht nur mein australisches Ripcurl-T-Shirt verloren habe.

Mit Abstand war es dumm, auf sein Recht zu beharren. Ich wußte doch, daß die Gefängnisse voll sind mit Leuten, die als Touristen auf diese Weise gerade in Dubai und Abu Dhabi mit den Einheimischen angeeckt waren. Nach ein paar Wochen war alles verheilt. Hamdullilah.

 

Ein Kommentar zu “Der bestriechende Untergang, oder: wie leicht man von Katari zusammengeschlagen wird

Hinterlasse einen Kommentar