Je reicher desto doofer, oder: wie schuetzt man Sklaven, so man dies wollte?

Vorweg ein kleines Beispiel fuer adaptives Marketing: dies ist ein alteingesessenes deutsches Waschmittel, was ich dieser Tage in der lokalen Variante erstanden habe:

Brsil

Auch meine Hemden sollen so strahlend weiss werden wie die Scheichtuecher… Buchstabe fuer Buchstabe steht auf dem Etikett BRSIL. Da es im Arabischen weder ein P noch ein E gibt  (und dazuhin nicht-betonte Vokale nicht geschrieben werden), muss man also ein bisschen kombinieren, um phonetisch zu Persil zu kommen.

Seit Mittwoch ist die internationale Presse voll von Berichten ueber die Arbeitsumstaende in Katar. Ausloeser war ein sehr ausfuehrlich und gut recherchierter Artikel in einer englischen Zeitung. Ich hatte ja immer wieder zum Thema berichtet. Und keiner, der hier wohnt, koennte glaubhaft sagen, er haette davon nichts gewusst. Zu offensichtlich ist der taegliche Missbrauch der Arbeiter.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, warum dieser Artikel diese massiven Reaktionen hervorrief und nicht diejenigen vor ihm, denn in der Sache ist das Veroeffentlichte null komma null neu un seit Jahren immer wieder berichtet. Die besondere Aufmerksamkeit entstand meines Erachtens nach aus den folgenden Gruenden:

– Zum ersten Mal konnte ein Journalist schreiben, dass auf einer Baustelle fuer die Fussball-WM Menschen starben. Ist was anderes, als wenn man schreiben wuerde „Beim Bau eines Buerohochhauses“. Dieser Titel ist eine sehr weitgedehnte Auslegung er Realitaet, denn einige dieser Unfaelle geschahen auf der Baustelle in Lusail. Hier entsteht eine neue Stadt, in deren Mitte dann auch irgendwann das Stadion fuer das Finale gebaut werden soll. Meines Wissens nach wird noch kein direkt fuer die WM genutztes Gebaeude gebaut

– Zum ersten Mal lehnte sich eine Botschaft weit aus dem Fenster, denn die bitterarmen entsenderlaender haben normalerweise Angst vor Kritik, denn sie sind auf die Transferleistungen angewiesen. Eine Sache ist es, von Toten zu berichten. Aber hier war zum ersten Mal eine konkrete Namensliste gegeben worden, hier liess sich zum ersten Mal ein Diplomat mit sehr kritischen Aussagen zitieren. Schon ein starkes Stueck, wenn die Botschafterin Nepals Katar als ein „offenes Gefaegnis“ bezeichnet. Interessanterweise, und das kam dann nicht mehr in Europa an, wurde die Botschafterin (entsandt ohne diplomatische Vorerfahrung von der regierenden maoistischen Partei) zwei Tage nach dem Artikel per Regierungsbeschluss ihres Amtes enthoben und muss zurueck nachhause. Offizielle Gruende sind andere als der Arikel, aber na ja ein Narr wer Boeses denkt

– Es gibt zwei franzoesische Fussballer, die hier aus sehr unwirklich anmutenden „Gruenden“ von ihren Sponsoren seit zwei Jahren gesperrt wurden, haltlose Vorwuerfe, also die ganze Spirale: kein Pass, kein Gehalt, gleichzeitig kein Verfahren, um die Vorwuerfe klaeren zu koennen. Die internationale Fussballergewerkschaft hat sich jetzt dieser Faelle angenommen, das erhoeht den Druck auf das Ausrichterland

– Der Artikel passte zeitlich sehr gut zu der Sitzung der FiFa in dieser Woche. Zusammen mit der Diskussion um Sommer / Winter fuer die WM war die notwendige Grundaufmerksamkeit vorhanden

Heute hat das katarische Arbeitsministerium eine Liste von Dingen angekuendigt, die geaendert werden sollen: mehr Baustelleninspektoren, mehr Uebersetzer (um sich mit den Arbeitersn ueberhaupt verstaendigen zu koennen) und mehr Aussenstellen des Arbeitsministeriums. Man wird sehen. Aber all das aendert nichts an den Grunduebeln, die dieser Misere zugrunde liegen:

– Es wuerde reichen, die hiesigen Gesetze nicht nur zu haben, sondern sie auch anzuwenden. Oder die versprochenen Verpflichtungen gegenueber der Weltarbeitsorganisation umzusetzen

– Diese Arbeiter werden durch eine Kette von Zwischenmenschenhaendlern ausgebeutet, die bereits im Heimatland beginnt und die diese Menschen in eine unaufloesliche Abhaengigkeit zwingt. Es ist 1 zu 1 wie frueher der Sklavenhandel organisiert. Zuhause muss der Arbeitnehmer viel Geld bezahlen, dass er eine Stelle bekommt. Auf der Reise nach Katar wird der unterschriebene Vetrag oft zerrissen und durch einen neuen zu sehr viel schlechteren Konditionen „ersetzt“. Im Land wird dann kein oder sehr wenig Gehalt ausgezahlt. Dieses vereinfachte Schema gilt hier in der Region fuer Hunderttausende

– Es gibt bei vielen hier ganz offensichtlich einen voelligen Mangel an Respekt fuer diese Menchen und deren Leben. Man nenne es Rassismus, Ausbeutermentalitaet, Kriminell, die Bezeichnung ist nicht so wichtig wie das von der Gesellschaft (bisher?) geduldete Resultat

– Und schliesslich das System selbst, was einen Auslaender in die unbedingte und volle Abhaengigkeit von einem katarischen Sponsor zwingt. Und das 90 % der Katari laut Umfragen eher noch verstaerken als aufweichen moechten

Heftig diskutiert wird hierzulande auch eine Studie der OECD, die zum ersten Mal eine sehr interessante Korrelation postuliert hat. Es sei signifikant, dass je mehr Rohstoffe ein Land habe, desto schlechter die Schulergebnisse seien. Also je reicher desto doofer. Es gibt nur drei Laender, bei denen die Schueler ueberdurchschnittlich gute Ergebnisse haben und die mehr als den durchschnittlichen Anteil von Rohstoffen am Bruttosozialprodukt haben: Australien, Norwegen und Russland. Fuer Aufsehen sorgte, dass das katarische Schuelerniveau wirklich sehr niedrig ist, in der Region ist nur Saudi schlechter.

Die OECD schliesst daraus, dass zukuenftiger Wohlstand langfristig nur ueber Bildung und nicht ueber Rohstoffe generiert wird. Zumindest fuer Katar stimmt das vermutlich nicht: bei den Reserven, die dieses Land hat, koennten irgendwann vermutlich alle Locals nur von den Zinsen leben, die dieser ungeheure, aufgetuermte Reichtum abwirft.

Hier der Link zu den genauen Ergebnissen:

http://www.oecd.org/education/school/programmeforinternationalstudentassessmentpisa/49881940.pdf

Und zum Abschluss noch das Bild einer vorgestern hochgegangenen Tanke, im unterirdischen Spritreservoir muessen sich Gase gebildet haben und explodiert sein. Zum Glueck wurde niemand verletzt.

Tanke

 

Hinterlasse einen Kommentar