Das vermutlich unspektakulärste Weltkulturerbe der Welt, oder: Kafka lebt

Dieser Tage war ich mal wieder in Al Zubarah. Dort wird seit einiger Zeit ein 1937 erbautes Fort restauriert, es wird nicht mehr allzulange dauern.

Al Zubahra 4

Fast 80 % der ursprünglichen Bausubstanz ist verwendbar. Übrigens diente dieses Fort noch bis Mitte der Achziger Jahre der Armee als Stützpunkt. Die erste Renovierung im Abschluß wurde sehr schnell gemacht, diesmal soll es richtig gemacht werden.

In Richtung Meer liegt dort das Ausgrabungsgelände der Stadt Al Zubarah, eine gegen Ende des 18. Jahrhunderts gegründete Perlentaucher- und Kaufmannsstadt, in der zu Hochzeiten 5.000 Menschen lebten (zum Vergleich: ganz Qatar 1960 10.000 Qatari). Es ist die einzige noch erhaltene Stadt in der gesamten Region, alle anderen wurden unwiderruflich zerstört und überbaut. Vermutlich nicht zuletzt deswegen wurde diese stätte vor kurzem zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.

Betritt man das Gelände, so ist der erste Eindruck eine überwältigende Ratlosigkeit, so unspektakulär ist das

Al Zubahra 3 Al Zubahra 1

Doch in den Erzählungen unseres Führers fing das ganze dann an lebendiger zu werden. In einem Haus wurde uns eine Dattelpresse erklärt („Die Leute waren faul. Man stapelte die Dattelsäcke über den Abflußrinnen, sodaß nur durch den Druck der obenliegenden Säcke der Saft unten anfing auszutreten. Brauchte man mehr, legte man eben noch einen Sack obern drauf und wartete“). Alle Lebensmittel und auch viel Trinkwasser wurden von dem nahen Bahrain importiert. Es gab zwar im Hinterland Brunnen zu wasserführenden Schichten, aber so brackig wie es war, zog man das frische gelieferte Wasser vor (Katar ist übrigens das einzige Land auf der Welt, wo es kein einziges Oberflächengewässer gibt, also Bach oder Süßwassersee). In den Palästen wurden teilweise sehr schöne Wandgemälde gefunden, die bald ausgestellt werden.

Al Zubahra 2

Die Handelsbeziehungen waren sehr weitgefächert, so hat man zB auch japanische Münzen gefunden. Die Baumeister werden wohl aus dem heutigen Südirak gekommen sein.

Die Erhaltung ist sehr schwierig, denn die Stadt liegt so auf Meeresspiegelniveau, daß bei entsprechender Flut das Seewasser schon mal aus dem Boden rausdrückt und Teile des Geländes unter Wasser stehen. Der Salzgehalt der Mauern kann am Boden bis zu 30 % betragen, noch auf Brusthöhe 10. Das macht alles sehr korrosionsanfällig.

Spannend ist, daß dieses Weltkulturerbe beim entstehenden katarischen Nationalmuseum wohl weitgehend ignoriert werden wird. Warum: vermutlich weil die Siedler dort ursprünglich aus Bahrain kamen und damit als nicht wirklich katarisch aus heutiger Sicht angesehen werden… In der Gegend gibt es viele weitere Siedlungen, die von den Anwohnern vor ca. 50 Jahren verlassen wurden, als alle Aquifere leergepumpt waren. Man zog dann nach Doha.

Zu einem anderen Thema: vor ein paar Monaten hatte ich von dem Fall eines nepalesischen Lehrers berichtet, der an einer der ersten Schulen des Landes unterrichtete, von einem 14-jährigen katarischen Schülers wegen angeblicher Beleidigung des Islams angezeigt worden war, ins Gefängnis kam und nach massivem internationalem Druck nach 12 Tagen das Land verlassen durfte.

Er hat jetzt seine Zeit im Gefägnis beschrieben, als jemand, der aus einem der nicht angesehenen udn damit falschen Länder kommt (das wäre bei Deutschen hoffentlich anders). Hier ein paar Auszüge:

“ An meinem ersten Tag im Büro des Staatsanwalts wurde ich vier verschiedenen Staatsanwälten vorgeführt. da alle nur Arabisch sprachen, weiß ich nicht, was sie zu mir gesagt haben. Nachdem ich auf einem Übersetzer beharrte, wurde das Gespräch mit dem fünften Staatsanwalt übersetzt. Ich hatte Glück, denn die meisten anderen nepalesischen Gefangenen hatten entweder nie einen Dolmetscher bekommen, oder aber er sprach Hindi und war damit für sie nicht zu verstehen.

Dies erklärt, warum viele meiner Mitgefangenen überhaupt nicht wußten, warum sie eingesperrt waren. Ich traf einen jungen Nepali, der nicht wußte warum es ihn getroffen hatte. Er war seit einem Monat wegen Mordes im Gefägnis, aber er hatte keine Ahnung, wie sein vermeintliches Opfer ums Leben gekommen sei. Das Opfer war ein bauarbeiterkollege, der am Ende einer Schicht krank wurde und zwei Tage später im Krankenhaus gestorben war.

Alle Dokumente sind in Arabisch, und als ich ein Protokoll meiner Vernehmung unterzeichnen sollte, weigerte ich mich, da ich nichts verstand.

Drei Tage später war ich wieder bei dem englisch sprechenden Staatsanwalt. Mir wurde gesagt, daß ich meine Unschuld selbst beweisen müsse. Der Anschuldigende hätte Zeugen benannt, und ich müsse dies auch tun. Doch in den folgenden Tagen stellte sich dies als unmöglich heraus. Ich hatte keinen Anwalt und keinen Kontakt zur Botschaft, so wie alle meine Mitgefangenen. die Polizei stellte mir keine Mittel zur Verfügung, Zeugen zu kontaktieren. einzig eine Besuchszeit einmal pro Woche nachmittags und ein Anruf von 5 Minuten (von den Wärtern zu genehmigen) gab es.

Im endeffekt hatte ich nicht nur alleine meine Unschuld zu beweisen, ohne die Hilfe eines Anwalts oder der Botschaft, sondern ich mußte mir Zeugen selber besorgen, die ich jedoch gar nicht kontaktieren konnte. Ich mußte mich in einer Sprache verteidigen, die ich nicht spreche, und weswegen ich gar kein Teilnehmer an der Verhandlung sein konnte“

Ich erinnerte mich daran, daß ich das Protokoll meines Unfalls auch auf Arabisch unterschreiben mußte. Dies konnte ich aber zum Glück per Handy abfotographieren, einem Kollgene schicken und mir bestätigen lassen, daß der Text in Ordnung war.

Jeder Deutsche hier ist sehr froh, ein Deutscher zu sein. Und kein Nepali.

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